Das Statement unserer Fraktionsvorsitzenden Sabine Iding-Dihlmann gestern im Gemeinderat im Wortlaut:
"Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Späth,
sehr geehrte Damen und Herren,
wir entscheiden heute über eine der wichtigsten Fragen überhaupt, nämlich den Standort des zukünftigen Zentralklinikums, das wir gemeinsam mit dem Landkreis Rastatt bauen wollen.
Wir haben uns in den vergangenen Jahren intensiv mit dem Thema Zentralklinikum auseinandergesetzt. Nachdem alle Gremien zu Beginn des letzten Jahres einstimmig die Ein-Standort Lösung beschlossen haben, beschäftigt uns das Thema Standort nun seit eineinhalb Jahren.
Es begann mit den von Andree Consult erarbeiteten Standortkriterien, zu denen in der damaligen Hauptausschusssitzung außer von uns Grünen keinerlei
Fragen oder Anregungen kamen. Im Gegenteil wurden diese Kriterien mehr oder weniger widerspruchslos hingenommen und ohne unsere Stimmen beschlossen.
Welch ein Glück, dass damals wenigstens der Aufsichtsrat die eingebrachten Änderungsvorschläge intensiv diskutiert hat und wir dann den angepassten Standortkriterien im Gemeinderat zustimmen konnten.
Die Etablierung des Beirats ist eines der Beispiele für die zahlreichen Anträge, die im Aufsichtsrat und Kreistag diskutiert worden sind.
"Lokalpatriotischer Populismus und reiner Egoismus haben noch nie weitergeholfen."
Es befremdet uns, wenn einzelne Stadträte oder Fraktionen im Nachhinein versuchen, die Standortkriterien wieder in Frage zu stellen. Sie haben die Chance der Diskussion verpasst und wollen nun, nachdem das "Wettkampfergebnis" nicht Ihren Vorstellungen entspricht, die Regeln ändern?
So geht das nicht. Wir sind nicht allein auf dieser Welt. Es gibt zwei Gesellschafter, den Landkreis Rastatt und den Stadtkreis Baden-Baden. Die bisherige Zusammenarbeit war vertrauensvoll, zielführend und angenehm.
Diese erfolgreiche Zusammenarbeit gefährdet man nicht ohne Not. In den Standortkriterien wurde festgelegt, welche Voraussetzungen die für ein Zentralklinikum in Frage kommenden Grundstücke erfüllen müssen.
Baden-Baden hat in seiner öffentlichen Gemeinderatssitzung am 28.06.21 beschlossen, die Standorte Balg, Weiher und Wörnersangewand einzureichen und diese im Oktober den Gutachtern präsentiert, wie auch Rastatt seine beiden
Standorte präsentiert hat.
Genau anhand der zuvor festgelegten Kriterien haben die Gutachter und der Beirat die eingereichten Grundstücke bewertet. Aufgabe des Beirats war es nicht, die Standortkriterien zu bearbeiten, sondern die Standorte mit der von den Gremien beschlossenen Bewertungsmatrix zu vergleichen und zu schauen, ob Endera die Kriterien für jeden Standort vollständig und korrekt abarbeitet.
Ich möchte den Damen und Herren des Beirats an dieser Stelle ausdrücklich für Ihren Einsatz und ihr Engagement danken.
"Wir haben das Verfahren als fair und transparent empfunden."
Jetzt steht das Ergebnis fest: der beste Standort für das geplante Zentralklinikum ist Münchfeldsee. Das Ergebnis ist eindeutig. Wenn man einen Wettbewerb macht, kann es nur einen "Sieger" geben. Jetzt, wo die Wahl auf ein Grundstück in Rastatt gefallen ist, geht ein Sturm der Entrüstung durch Ihre und die Reihen mancher Bürgerinnen und Bürger.
Was haben Sie denn erwartet? Dass es ein Automatismus ist, dass Baden-Baden vorneliegt? Die Stimmungsmache seit der Veröffentlichung des Gutachtens ist unmöglich und lokalpatriotischer Populismus und reiner Egoismus haben noch nie weitergeholfen.
Bislang verlief der ganze Prozess mit allen Beteiligten im Einvernehmen. Schade, dass uns durch solche Aktionen kurz vor der Zielgeraden womöglich Zustände wie in der Ortenau drohen.
Ich möchte noch eine Bemerkung zum Verfahren insgesamt machen: Wir haben das Verfahren als fair und transparent empfunden. Machen Sie sich die Mühe und schauen auf der öffentlichen Homepage "zukunftkmb.de" nach. Dort finden
Sie alle Informationen und auch wie viele Bürgerinfos und
Bürgerbeteiligungsaktionen es bislang gegeben hat. So geht Transparenz!
Der Vorwurf, die Bürgerinnen und Bürger nicht mitgenommen zu haben, erübrigt sich dadurch von selbst.
Es ist auch wenig zielführend, wenn die FBB zur Bedingung macht, dass das Grundstück im Eigentum des Anbieters stehen müsse. Es war Konsens, dass diese Voraussetzung nicht bei Vorstellung der Grundstücke erfüllt sein muss, sondern dann, wenn der Bauantrag gestellt wird. Und es hilft auch nicht weiter, wenn eine verbindliche Kostenberechnung für jeden Standort gefordert wird. Die Kosten ergeben sich aus vielen Faktoren, nicht zuletzt hängen sie davon ab, was letztendlich realisiert wird.
Es wäre unseriös, hier eine genaue Hausnummer zu nennen. Tatsache ist, dass uns die Kosten davonrennen, je länger wir das Projekt auf Eis legen. Wenn Sie heute die Beschlussvorlage vertagen oder ablehnen, haben Sie sich überhaupt Gedanken gemacht, was dann passiert?
Ich erinnere noch einmal daran, es geht nicht um ein Klinikum für Baden-Baden allein, sondern für ganz Mittelbaden. Es handelt sich beim KMB um eine gemeinnützige GmbH, deren Gesellschafter der Landkreis Rastatt mit 60 % und der Stadtkreis mit 40 % sind.
Seit vielen Jahren werden die verbliebenen Kliniken unter dem Namen Klinikum Mittelbaden geführt. Es gibt schon lange keine Stadtklinik und auch kein Rastatter Krankenhaus mehr.
Beide Gesellschafter waren sich bislang einig, mit einem Zentralklinikum eine zukunftsfähige klinische Versorgung für die Bürgerinnen und Bürger in Mittelbaden, attraktive Arbeitsplätze für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des KMBs und eine konkurrenzfähige und förderfähige Maximalversorgung zu schaffen.
Das alles gefährden Sie, wenn Sie heute vertagen oder nicht
zustimmen.
Tatsache ist auch, dass wir den Landkreis, den wir hier als Partner sehr schätzen, vor den Kopf stoßen und das gute Miteinander, dass den Prozess bislang ausgemacht hat, gefährden. Man kann sich einem Partner gegenüber so nicht verhalten. Das ist arrogant und hochnäsig.
Der Vertrauensverlust ist vorprogrammiert. Es werden bereits Bedenken geäußert, ob man ein solches Projekt auf dieser Basis überhaupt miteinander stemmen kann. Wir sind aufeinander angewiesen und können dieses Großprojekt nur gemeinsam angehen.
Klar ist, dass im Zweifel allenfalls Rastatt sich ein eigenes Klinikum leisten könnte. Was bliebe Baden-Baden? Nichts!
Die von der FBB favorisierte Privatklinik brächte uns definitiv keine Maximalversorgung, nicht einmal eine Feld-, Wald-, Wiesenklinik, was von Bund und Land ohnehin nicht gewollt ist.
Was aber sollen wir z.B. mit einer Spezialklinik für Orthopädie anfangen?
Wo fahren dann die Eltern hin, wenn sich ihr Kind verletzt? Wo werden dann die Kinder geboren? In welcher Klinik liegen dann die Baden-Badener, wenn ein stationärer Aufenthalt nötig ist? Und wie kommt dann der Besuch des Patienten dorthin? Es blieben nur noch die Kliniken in Achern oder Karlsruhe, die sich wahrscheinlich schon jetzt die Hände reiben, wenn sie dieses Hickhack mitbekommen.
Nur ein Zentralklinikum ist förderfähig und gemäß den Vorgaben unseres Gesundheitssystems auch in der Lage gewinnorientiert zu wirtschaften.
Auch den vielzitierten ausländischen Patienten wird es letztendlich nicht darum gehen, auf welcher Gemarkung das Zentralklinikum steht, sondern ob medizinische Ausstattung, Versorgung und Betreuung stimmen.
Denken Sie an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des KMB?
Die bestehenden Kliniken sind auch bezüglich der Arbeitsbedingungen nicht zukunftsfähig. Wir haben uns mit vielen ausgetauscht. Alle freuen sich auf eine moderne Klinik. Die Standortfrage spielt dabei eine sehr untergeordnete Rolle. Bei diesem ganzen Theater entsteht eine große Unsicherheit und uns laufen über kurz oder lang die Ärzte und Pflegekräfte weg, was beim derzeitigen Fachkräftemangel eine Katastrophe wäre.
Mit einer heutigen Vertagung kämen wir in der Standortfrage jetzt, aber auch in drei Monaten keinen Schritt weiter.
Oberbürgermeister Späth hat in der Standortfrage gefordert, dass sich Baden-Baden im Namen des Zentralklinikums wiederfinden muss, dass über die Beteiligungsverhältnisse gesprochen werden muss und dass es auch weiterhin den Geburtsort Baden-Baden geben muss.
Für diese Forderungen haben wir Verständnis und tragen diese Forderungen auch mit. Wobei die Namensgebung unbedeutend ist, denn wie gesagt, haben wir seit vielen Jahren ein Klinikum Mittelbaden, in dessen Name sich keine der Städte wiederfindet.
Es geht also im Wesentlichen um den Geburtsort und die Beteiligung. Die CDU fordert nun verbindliche Zusagen zu den von OB in den Raum gestellten Anregungen.
Belastbare Aussagen zu diesen Forderungen können wir ad hoc vom Landkreis Rastatt nicht verlangen.
Bei der Forderung bezüglich des Geburtsorts Baden-Baden ist womöglich über eine Verschiebung der Gemarkungsgrenzen oder einen Gebietstausch nachzudenken. Darüber können Stadt- und Landkreis gar nicht eigenmächtig entscheiden. Das ist Sache des RPs. Wenn wir hier aber einvernehmlich mit dem Landkreis und der Stadt Rastatt auftreten, haben wir sicherlich gute Chancen, eine pragmatische Lösung hinzubekommen.
Wir können dem Landkreis, der uns stets verlässlicher Partner ist, nicht die Pistole auf die Brust setzen, wohl aber die Zusage einfordern, dass der Landkreis anerkennt, dass Baden-Baden auch dann ausreichend repräsentiert sein muss, wenn der Standort auf Rastatter Gemarkung beschlossen wird und dass er gerade bezüglich der genannten Forderungen bereit ist zu verhandeln.
Die Forderungen wurden bereits im Aufsichtsrat gestellt und es wurde fraktionsübergreifend und eindeutig signalisiert, dass man das genauso sehe und zu Verhandlungen bereit sei.
Wir stellen daher den Antrag über den Beschlussvorschlag unter der Maßgabe abzustimmen, dass der Landkreis die Forderungen bezüglich Geburtsorts und Beteiligung und gegebenenfalls Namensgebung anerkennt und zusagt, darüber zu verhandeln und stellen den Antrag den Beschlussvorschlag entsprechend abzuändern.
Die Aussprache und Entscheidung des Kreistags finden morgen statt.
Damit hat der Landkreis die Möglichkeit dieses Ansinnen in die Diskussion einzubeziehen und zu beraten und wir stoßen weder jemanden vor den Kopf noch verzögern wir das Verfahren, noch bringen wir das Projekt in Gefahr.
Denn eines ist klar: ein Zentralklinikum lässt sich nur im Miteinander zwischen Landkreis und der Stadt verwirklichen. Wenn wir durch unser Verhalten dafür sorgen, dass der Landkreis aus den gemeinsamen Plänen aussteigt, dann haben wir am Ende nichts!
Fazit: Wir Grünen tragen das Ergebnis der Untersuchung mit und werden den Vertagungsanträgen nicht zustimmen, sondern für den Beschlussvorschlag stimmen.
Wir bekennen uns klar zum Standort Münchfeldsee.
Dieser Standort ist aus einem demokratischen Verfahren als der Standort der Wahl hervorgegangen.
Er liegt an der Gemarkungsgrenze zu Baden-Baden und damit nicht aus der Welt, im Gegenteil direkt neben einem von uns vorgeschlagenen Standort. Das bietet allen Beteiligten die Möglichkeit, sich darüber zu verständigen, wie sich beide Gesellschafter in der künftigen Gesellschaft wiederfinden können.
Wenn wir heute gegen den Standort stimmen, riskieren wir viel, ja alles und vor allem, am Ende ohne Klinik dazustehen und das wäre das Desaster schlechthin.
Wir haben immer die Auffassung vertreten, dass nur der für alle Beteiligten beste Standort der richtige Standort für das neue Zentralklinikum ist.
Kirchturmpolitik ist uns fremd, vor allem dann, wenn es um die Daseinsvorsorge und Maximalversorgung für den Stadt- und den Landkreis, also ganz Mittelbaden geht.
Es geht um unsere Verantwortung in Bezug auf unser
Gemeinwesen und nicht um Prestige. Auch die Rennbahn liegt nicht in Baden-Baden. Trotzdem wird sie weltweit Baden-Baden zugeordnet. Der genaue Standort spielt auch hier keine Rolle, weder für Rennbahnbegeisterte, Rennteilnehmer noch Touristen und schon gar nicht für die Kaufkraft.
Das wird ebenso für Patienten, Arbeitskräfte und Besucher eines neuen, modernen Zentralklinikums gelten.
Wenn wir heute vertagen oder die Beschlussvorlage ablehnen, würden wir der Stadt Baden-Baden tatsächlich den vielzitierten Bärendienst erweisen.
Wir fordern Sie auf, heute mit uns das KMB in die Zukunft zu führen, Ihre Vertagungsanträge zurückzuziehen und der Beschlussvorlage zuzustimmen."